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Großgussteile am Beispiel des Tesla Model Y

Welche Rolle spielen Großgussteile für die Versicherungen im Schadengeschehen?

 

Juli 2025

 

Großgussteile, die große Teile des Multi-Material-Mixes im Fahrzeugkarosseriebau ersetzen, sind eine aufstrebende Technologie, die mit ihrem Einsatz im Tesla Model Y über die Autoindustrie hinaus bekannt geworden ist. Großgussteile sind aus Aluminium oder Stahl gefertigte Komponenten, die traditionell die aus mehreren bis vielen unterschiedlichen Teilen und Material gefertigten Fahrzeugstrukturen ersetzen. Diese Technologie, bei Tesla als „Gigacasting“ bezeichnet, reduziert aber nicht nur einerseits die Anzahl der Komponenten sowie Fügeverfahren und vereinfacht damit Produktionsprozesse, sondern senkt andererseits potentiell das Fahrzeuggewicht. Gerade dieser Aspekt spielt bei Elektroautos mit reichweitenstarken sowie schweren Hochvolt-Batterien eine entscheidende Rolle.

 

Guss-Bodengruppe hinten (1-teilig) (© Tesla, Service Handbook 2024)

 

Obwohl die Technologie nicht neu ist, haben diverse Publikationen im Jahr 2023 einen negativen Einfluss auf Versicherungsprämien prognostiziert. Dies veranlasste das Allianz Zentrum für Technik (AZT) und Thatcham Research die tatsächlichen Auswirkungen der Großgussteile im Schadengeschehen zu untersuchen.

Bei Tesla sind im Model Y verschiedene Gussteilvarianten verbaut. Das Großgussteil im vorderen Fahrzeugkarosseriebereich ist in Deutschland bis dato selten anzutreffen. Im Fahrzeugheck wurde zunächst ein längs geteiltes Großgussteil verbaut. Auf Grund der Fortschritte in der Großpressentechnologie konnte kurze Zeit später ein einteiliges Werkstück gefertigt und eingesetzt werden. Die Art der Integration des Großgussteils im Model Y lässt bereits vermuten, dass Schäden daran nur bei hoher Unfallschwere auftreten können, da es durch äußere, Last aufnehmende Strukturen, die die Aufprallenergie gezielt in Deformation umwandeln können, geschützt wird. Hochfeste Säulen und Schweller, mehrschichtige Seitenwände und Deformationselemente an den Stoßfänger-Querträgern bilden einen außen liegenden Rahmen um die Großgussteile.

Um die Relevanz des Bauteils für die Versicherungsschäden zu analysieren, wurde eine generische Untersuchung relevanter Unfallschäden der Allianz Vollkasko-Kollisionen durchgeführt. Hier wurde ungeachtet des Fahrzeugs nur die Stoßrichtung und Intrusionstiefe beurteilt. Anschließend wurden in einer weiteren Studie Krafthaftpflichtschäden untersucht, bei denen ein Tesla Model Y als Unfallgegner involviert war. Hier konnten reale Schadenbilder ausgewertet und analysiert werden.

Die Untersuchung der Vollkasko- und Krafthaftpflichtschäden ergab, dass Großgussteile generell selten betroffen wären. Bei weniger als 5 % der Vollkaskoschäden wäre mit einer Schädigung zu rechnen gewesen. Allerdings wäre bei einem großen Teil der Fahrzeuge auch ohne Beschädigung des Großgussteils ein wirtschaftlicher Totalschaden eingetreten, so dass nur ca. 1,5 % der Schadenfälle durch den Schaden am Großgussteil negativ beeinflusst worden wären. Analog dazu wurde nur in 1,3 % der Krafthaftpflichtschäden eine Beschädigung des Großgussteils ermittelt. Alle diese Schäden ließen sich jedoch reparieren und es kam in keinem Fall zu einem Ersatz des gesamten Großgussteils.

Um die relevante Unfallschwere zu ermitteln, bei der das Großgussteil so beschädigt werden würde, dass es zu ersetzen wäre, sind Crashversuche im englischen RCAR-Partnerinstitut “Thatcham Research” durchgeführt worden. Diese bestätigten, dass Großgussteile nach typischen Anstoßkonstellationen und Geschwindigkeiten kaum ersetzt werden müssten. Dafür wäre eine im Vergleich zum alltäglichen Unfallgeschehen deutlich erhöhte Crashintensität erforderlich. Außerdem zeigte sich, dass die Schadenfeststellung keine besonderen Verfahren, wie beispielsweise bei Carbonfasern erfordert. Eine Karosserievermessung oder eine visuelle Sichtkontrolle am Großgussteil waren ausreichend, um entweder die Unversehrtheit oder die Beschädigung festzustellen.

 

Crash des Model Y bei Thatcham Research (© Thatcham Research)

 

Beschädigung des Großgussteils nach Crash mit 25km/h (© Thatcham Research) 

 

Im Gegensatz zu den Annahmen der erwähnten Publikationen aus 2023 bietet Tesla unterschiedliche Verfahren an, mit denen ein beschädigtes Großgussteil repariert werden kann. Die Reparaturmöglichkeiten für Großgussteile erfordern spezielle Qualifikationen und Geräte, zum Beispiel wenn der Aluminiumguss durch Schweißen repariert werden muss. Im Schadengeschehen weist die Reparaturmethode “Längsträgerteilersatz” eine erhöhte Relevanz auf. Das von Tesla angebotene Reparaturverfahren für die hinteren Längsträgerendstücke ist mit etablierten Methoden bei Stahl-Karosserien vergleichbar und ohne Schweißarbeiten möglich. Kostenanalysen zeigen, dass Reparaturen des Tesla Model Y im Heck- und Laderaumbereich vergleichbar oder sogar günstiger als bei konventionell gebauten Fahrzeugen sind.

 

Reparaturmöglichkeit Guss-Bodengruppe hinten (1-teilig) (© Tesla, Service Handbook 2024)

Unfallgeschädigtes Längsträgerende des Großgussteils (© Allianz)

Reparatur Heckschaden durch Teilersatz des Längsträgerendes hinten (© Allianz)

Reparaturlösung Tausch des Endstücks (© Thatcham Research)

Zusammenfassend bewertet die Studie den Einfluss von Großgussteilen auf den Schadenaufwand der Versicherung als gering, wenn derartige Bauteile nicht die äußeren Fahrzeugbereiche betreffen und Reparaturlösungen sowie qualifizierte Werkstätten vorhanden sind.

Die Typklasse des Tesla Model Y ist derzeit entgegen den negativen Prognosen nicht auffällig.